KI und Voice Acting: Warum wir uns keine Sorgen machen müssen (aber trotzdem aufmerksam bleiben sollten)
- stimmgeist
- 23. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Überall lese ich gerade von KI-Stimmen, die angeblich so gut sind, dass sie echte Sprecher ersetzen können. Als jemand, der täglich im Studio steht und mit seiner Stimme arbeitet, bekomme ich natürlich auch solche Fragen gestellt: "Marc, machst du dir Sorgen wegen der KI?" Die ehrliche Antwort? Ja und nein. Lass mich dir erklären, warum.
Was KI wirklich kann (und was nicht)
Die KI-Technologie hat 2024 wirklich beeindruckende Fortschritte gemacht. Stimmen klingen natürlicher, können Emotionen transportieren und sogar verschiedene Akzente nachahmen. Besonders im Bereich der Lokalisierung – also wenn Inhalte schnell in verschiedene Sprachen übertragen werden müssen – ist KI ein echter Game-Changer geworden.
Aber – und das ist ein großes Aber – KI kann noch immer nicht das leisten, was wir als Sprecher täglich machen:
**Spontane Anpassungen:** Wenn der Regisseur sagt "Kannst du das nochmal etwas melancholischer sprechen?", verstehe ich sofort, was gemeint ist.
**Zwischenmenschliche Nuancen:** Die Art, wie ich mit einem Kunden spreche, seine Wünsche verstehe und umsetze – das ist pure menschliche Kommunikation.
**Kreative Interpretation:** Jeder Text hat Subtext. Als Sprecher bringe ich meine Lebenserfahrung mit ein.
Hörbücher: Hier bleibt der Mensch König
Gerade im Hörbuchbereich – einem meiner Lieblingsbereiche – sehe ich KI noch lange nicht als Konkurrenz. Warum? Weil Hörbuch-Hörer eine **emotionale Verbindung** zum Sprecher aufbauen. Sie wollen nicht nur eine Geschichte hören, sondern sie wollen, dass jemand ihnen diese Geschichte erzählt.
Letzte Woche hatte ich ein 8-stündiges Hörbuch-Projekt. Während der Aufnahme habe ich gemerkt, wie sich meine Interpretation der Hauptfigur entwickelt hat. Am Ende des Buches sprach ich sie anders als am Anfang – weil ich mit ihr "gewachsen" bin. Das kann keine KI.
Gaming: Wo KI tatsächlich hilfreich wird
Im Gaming-Bereich sehe ich KI eher als **Ergänzung** denn als Ersatz. Stell dir vor: Ein Indie-Entwickler kann mit KI schnell Platzhalter-Stimmen für Prototypen erstellen. Aber für das finale Spiel? Da braucht es echte Sprecher, die den Charakteren Leben einhauchen.
Besonders spannend wird es bei **hybriden Projekten**: KI generiert Grundlagen, die dann von echten Sprechern verfeinert werden. Das könnte die Zukunft sein – nicht KI gegen Mensch, sondern KI mit Mensch.
Meine Strategie: Neugierig bleiben, aber authentisch sein
Ich teste regelmäßig neue KI-Tools – nicht aus Angst, sondern aus Neugier. Manche sind wirklich beeindruckend für bestimmte Anwendungen. Aber sie bestärken mich auch darin, was uns als menschliche Sprecher auszeichnet:
**Unsere Einzigartigkeit:** Jeder Sprecher hat seinen eigenen "Fingerabdruck"
**Echte Emotionen:** Wir fühlen, was wir sprechen
**Flexibilität:** Wir können in Echtzeit auf Feedback reagieren
Fazit: Evolution statt Revolution
KI wird unsere Branche verändern – das steht fest. Aber sie wird sie nicht ersetzen. Stattdessen eröffnet sie neue Möglichkeiten: schnellere Prototypen, effizientere Workflows, neue kreative Ansätze.
Als Voice Actor 2024 heißt das für mich: **Offen bleiben für neue Technologien, aber nie vergessen, was mich als Menschen und Künstler ausmacht.** Denn am Ende des Tages wollen Menschen von Menschen berührt werden – auch wenn es "nur" eine Stimme aus dem Lautsprecher ist.
Kleiner Fakt über mich
Neulich habe ich zum Spaß meine eigene Stimme durch eine KI laufen lassen. Das Ergebnis war... interessant. Technisch korrekt, aber es fehlte diese kleine Unperfektion in meiner Aussprache, die meine Kunden als "authentisch" und "sympathisch" beschreiben. Manchmal sind es gerade unsere kleinen "Fehler", die uns menschlich machen. Und das ist gut so!
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